Heute Abend hatte ich Glück.
Ich durfte bei Johann Sebastian Bachs Weihnachts-Oratorium mitsingen.
Meine kleine Stimme in diesen wogenden, jubilierenden und berührenden Strom der Musik hineinwerfen.
Dabei gleich noch den allerersten Einsatz verpasst,
vor lauter Begeisterung über das berauschende instrumentale Vorspiel.
Aber egal -
es waren genügend viele andere Stimmen präsent,
um den Chor-Einsatz gewaltig zu gestalten:
Jauchzet! Frohlocket!
Und ich hatte das Glück,
den Dirigenten von vorn zu sehen -
in sein Gesicht zu blicken,
während die Zuschauer nur seinen Rücken sehen.
Ein glückliches Gesicht!
Fast wie ein Tänzer, im Rausch der Musik.
Und das Glück,
dass wir nur einen einzigen Choral auswendig singen sollten
- "Ich steh an deiner Krippe hier" -
sonst hätte mir mein schwaches Gedächtnis arge Probleme bereitet.
Bei einem kleinen Abendessen nach dem Konzert
kamen wir dann auf die großen Fragen.
Gott? Jesulein? Herzens Schrein?
Was haben wir da gesungen???
Wir gingen auf die Suche und wurden fündig,
in der zweiten Zeile des Chorals:
"Ich komme, bring und schenke dir,
was du mir hast gegeben."
Wer hat diese Worte geschrieben,
vor fast 300 Jahren?
Die Worte sind so genial wie die Musik,
in die sie eingewebt sind.
Die Zeit steht still beim Singen -
gefühlte Zeitlosigkeit, ein Stückchen Unendlichkeit.
"Ich schenke dir, was du mir hast gegeben." -
das überschreitet alle Logik und Vernunft.
"Ich schenke dir, was du mir hast gegeben." -
diese Worte berühren mich so sehr,
weil sie mich in die Tiefe ziehen,
hinein ins Innerste meines Glaubens.
Ja -
ich bin ein Teil dieser unvorstellbar großen Schöpfung
eines unvorstellbar allmächtigen Schöpfers.
Als kleiner Mensch auf unserer kleinen Erde
in unserem kleinen Sonnensystem irgendwo inmitten unzähliger Galaxien.
Und ich nehme teil am großen Tanz alles Lebens,
am Austausch des Beschenkt-Werdens und Zurück-Schenkens,
am dankbaren Annehmen und erfüllten Weitergeben.
Ein anderes Bild kommt mir in den Sinn:
Der tanzende Shiva,
wie er seit über 3000 Jahren im Hinduismus verehrt wird.
Man sagt, sein Tanz führt die Menschen zur Bewusstheit und Seligkeit.
Shiva tanzt in jedem Menschenherzen.
Sein Tanz bedeutet so viel wie Herzschlag,
"Chidamabaram" - der heilige Raum des Herzens.
Bach und Shiva -
da begegnen sich spirituelle Welten über Jahrtausende hinweg!
Ich blicke wieder zurück auf Bachs Weihnachts-Oratorium,
den Schluss-Chor des ersten Teils:
"Ach mein herzliebes Jesulein,
mach dir ein rein sanft Bettelein,
zu ruhn in meines Herzens Schrein..."
Eine süßliche Sprache,
nicht mehr ganz zeitgemäß.
Aber die Aussage trifft mich tief.
Ich kann darauf vertrauen,
dass da ein Platz ist in meinem Herzen,
der von Wesen bewohnt wird,
die in mir ruhen und in mir tanzen -
und die sich selbst ihren Raum in mir gestalten.
Wesen, die größer sind,
weiter und weiser
als mein kleines Ich.
Und dennoch:
Ein Teil von mir -
und ich ein Teil von ihnen!
Nun ist's kurz vor Mitternacht,
ich muss dringend ins Bett
und morgen früh noch wichtige Arbeiten erledigen.
Aber ich bin glücklich -
zumindest ein bißchen...
"Ich komme, bring und schenke dir,
was du mir hast gegeben."
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